hibbelig, hubbelig, wibbelig
Samstag, 6. Juni 2015
Des Autonomen Vermächtnis - Ein subtiles Gleichnis
® by jsteblue
Genossen, die Freiheit ist gekommen!

Nachdem nun der entscheidende Schritt der Emanzipation von der unterdrückenden kapitalistischen Ordnung getan ist (und wir unsere Nummernschilder abschrauben dürfen), kommt es noch besser als erwartet:

Inzwischen laufen alle Menschen vermummt und bewaffnet durch die Gegend; man fröhnt der individualistischen Anarchie des Sichselbsthelfens. Wer Ware nicht herausrücken will, weil er nicht weiß mit wem er es da zu tun hat und ob er als Alternative zu einer Bezahlung eine Kugel durch den Kopf gejagt bekommt, der wird gleich prophylaktisch erschossen und überfahren:


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Zudann Fahrerflucht, schnell unerkannt ins besetzte Haus zurück. Verdammt, da haben sich schon wieder andere Anarchos mein Heim unter den Nagel gerissen und empfangen mich mit roten Ziegelsteinen, die sie, vom Dach heruntergerissen, in Richtung meines besetzten Porsches schmeißen. Ich will in einem etatistischen Reflex die Bullen rufen, doch es stellt sich heraus, dass man gerade nicht auf dem Revier sei, man jage Verfassungsrichter, sagt der Anrufbeantworter.
Also nehme ich die Sache selbst in die Hand. Ich warte in meinem Versteck bis Mitternacht, dann fahre ich zurück und zünde das Haus mit all den schlafenden Pennern darin an: Wenn es nicht mir gehören soll, dann keinem! Praktischerweise brennt es (mit löchrigem Dach gut durchlüftet) wie ein ausgedörrter Strohaufen herunter, bevor ich Probleme mit den Insassen bekomme.

Befreit und glücklich pflanze ich auf der lebensspendenden Asche ein Gemüsegärtchen und erfreue mich Tag für Tag meiner veganen Ernährung. Doch meine vegetative Idylle währt nicht lange: Eine Horde Kannibalen in Nadelstreifenanzügen überfällt meine Plantage und zertrampelt meine Bio-Produktion. Ich dezimiere sie mit meiner Schrotflinte, bis das Magazin leer geschossen ist und werde vom Rest gefangen genommen. Sie lassen mich leben, um ein Zeichen zu setzen: Als Tribut fordern sie nur meine linke Hand, die an Ort und Stelle amputiert und verspeist wird, dann ziehen sie weiter.

Unfähig, mit nur einer Hand meine Bio-Plantage weiter zu bewirtschaften, wechsele ich also meine Selbsterhaltungsstrategie, werde aber erneut prompt bei der Inanspruchnahme öffentlicher (!) Lebensmittel des „Diebstahls“ überführt und vor ein frisch einberufenes Scharia-Tribunal gestellt. „Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen – groß ist er und seine Güte“ - nimmt man mir auch die rechte Hand.

Traumatisiert aber von revolutionärer Energie durchströmt ersetze ich meine Stummel jeweils durch eine schlagkräftige Beilprothese und eine „Fasces“, eine Rutenbündelprothese. Derartig bewaffnet verbünde ich mich mit anderen behinderten Opfern der Scharia zu einer kampfstarken Einsatzgruppe, die sich im Auspeitschen von Anarchisten, Nadelstreifen-Kannibalen und beschäftigungslosen Selbstmordbombern schnell einen Namen macht.

Als die Lebensmittel schlussendlich zur Neige gehen – die Produktion liegt schon länger still und ist ersetzt durch das Prinzip der Ent- und Aneignung der früheren Erzeugnisse – beschließe ich, dass die Ordnung wieder herzustellen sei: Meine Einsatzgruppe erhört das Flehen der Bevölkerung und exekutiert in einem mit „unerbittlicher Härte“ und aller nötigen Konsequenz geführten Streich alle „Volksfeinde“. Man erhebt mich in den Rang eines Führers auf Lebenszeit, bejubelt meinen Namen und unterwirft sich euphorisch.

Meine Macht gebe ich nicht wieder her.
...wurde im Genre Parabel am 06. Juni 2015 erstellt , zuletzt verändert von jsteblue am 06. September 2023

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